Im Tierheim
Ein Jahr hatte ich bereits im Tierheim verbringen müssen. An das Leben davor konnte ich mich damals schon kaum noch erinnern. Ich war heimatlos und landete dann im Tierasyl, weil mich ein netter Mensch fand und dorthin brachte. Er meinte es sicher gut. Gerade im Winter ist es für herrenlose Katzen lebensgefährlich, wenn man nicht etwas findet, wo man über den Winter kommt. Ich war daher froh, nicht auf der Strasse leben zu müssen.
Aber das Leben im Tierheim ist hart. Wir Tiere werden zwar versorgt und müssen nicht hungern und frieren. Nur lebt man in sehr beengten Verhältnissen, häufig gibt es Krankheiten, die sich ausbreiten und vor allem ist es dort eines: langweilig. Auf Dauer verkümmert man dort. Anfangs hatte ich ja noch die trügerische Hoffnung, das Tierheim schnell wieder verlassen zu können, weil mich ein neues Herrchen oder Frauchen aufnimmt. Aber das stellte sich dann als Wunschtraum heraus. Die Tage kamen und gingen aber niemand holte mich ab. Langsam begann ich, zu resignieren.
Da ich mich dort mit meinen Artgenossen nicht sonderlich gut vertragen habe, hatte ich eine Einzelzelle. Die war rund 1 m x 2 m groß, hatte aber wenigstens ein großes Fenster nach draußen. Da konnte ich auf eine Wiese schauen, wo allerdings nicht sonderlich viel passierte. Ich konnte immer sehen, wer kommt und geht. Das war es aber auch schon. Ich war dort recht unglücklich.
Ein Lichtblick war einer der Pfleger dort. Den mochte ich gern, der hat auch häufiger mit mir gespielt. Aber da dort recht viele Tiere im Tierheim leben, blieb nicht soviel Zeit für mich. Er hat mir aber immer gesagt, ich sei seine Lieblingskatze. Das tat tat mir richtig gut. Es interessierte sich ja sonst niemand für mich. Die anderen Katzen mochten mich nicht. Wenn Leute vorbeischauten, gingen sie oft ohne einen Blick an meiner Zelle vorbei. Meist kam auch niemand bis zum mir hinten in die letzte Ecke des Tierheim. Ich habe dann immer ganz sehnsüchtig geschaut, wenn sich mal jemand für mich interessierte. Aber sobald die Pfleger sagten, ich sei eine „Einzelkatze“, gingen sie weiter. Die meisten möchten wohl lieber zwei oder mehr Katzen haben. Und hinzu kommt, dass viele keine erwachsene Katzen suchen, sondern junge Kätzchen. Dabei haben auch erwachsene Katzen eine Chance verdient. Aber gegen süsse kleine Katzenkinder, die leider im Tierheim auch zuhauf geboren werden, hat man halt schlechte Karten.
Meine Tage verliefen langweilig und frustrierend. Die einzigen Highlights waren die Momente, wo mein Lieblingspfleger ein bisschen mit mir spielte und kuschelte. Und wenn es was zu Fressen gab. Da ich mich in meiner Zelle nicht großartig bewegen konnte, war ich damals auch recht mollig. Aber wenn Fressen so ziemlich das einzige ist, was den Tag ein wenig verschönt, wollte ich mich da nicht noch einschränken.
Ich hatte schon fast resigniert und dachte mir: „da kommst du nie wieder raus“. Wenn Besucher kamen, bemühte ich mich auch fast gar nicht mehr, mich ihnen nett zu präsentieren. Wozu – wenn man eh nicht beachtet wird, würde es höchstens eine weitere Enttäuschung.
Oft sah ich aus meinem Fenster, wie Hunde oder Katzen von ihren neuen Herrchen und Frauchen abgeholt wurden. Sie saßen dann etwas unsicher und aufgeregt in den Transportkisten, voll Hoffnung auf ein neues, besseres Leben. Wie sehr hab ich mir gewünscht, eines Tages auch in solch einem Korb das Tierheim verlassen zu können. Nur leider tat sich nichts.
Bis zum 20. März 2011. An dem Tag kam noch eine größere Gruppe ins Tierheim, obwohl wir eigentlich schon geschlossen hatten. Sie stellten sich vor meinem Fenster auf und machten ein Gruppenbild. Das war schon mal seltsam und weckte mein Interesse. Und dann marschierte die Gruppe durchs Tierheim. Es waren viele Männer und zwei Frauen. Die meisten hörte ich aber leider nur, denn bei mir hinten in der letzten Ecke kamen wieder nur ein paar der Leutchen an. Eine Frau blieb allerdings recht lange vor den drei Einzelzellen stehen. Neben mir war zu der Zeit ein großer weißer Kater – Flocke. Der saß den ganzen Tag nur traurig vor dem Fenster und starrte nach draussen. Die Frau unterhielt sich mit einem Pfleger….und war dann auch wieder weg.
Flocke hatte dann riesiges Glück. Er war nur 3 Wochen im Tierheim, da fand er schon neue Leute, die ihn abholten. Es war aber auch ungerecht. Ich war schon so lange dort und er fand so schnell ein neues Heim. Aber natürlich hab ich es ihm gegönnt. War ja nicht seine Schuld, dass mich niemand holte.
Einige Tage nach dem Besuch der Gruppe kam die Frau, die mich und Flocke angeschaut hatte, noch einmal vorbei. Mittags war es und ich lag gerade im Fenster und sah sie kommen.
Kurz drauf stand sie vor meiner Zelle, mit meinem Lieblingspfleger. Der machte meine Tür auf und holte mich raus. Die beiden unterhielten sich, während der Pfleger mit mir spielte. Die Frau streichelte mich. Das erste Mal seil langem, dass mich jemand Fremdes streichelte. Ich war total aufgeregt und sprang ihr erstmal auf den Arm. Sie war glaube ich etwas überrascht.. Dann schmuste sie noch ein bisschen mit mir….und war wieder verschwunden. Tja, wieder mal umsonst gefreut. Dann ist es fast besser, es passiert gar nichts.
Ich hab die nächsten Tage häufiger daran gedacht, wie schön es gewesen wäre, wenn die Frau mich mitgenommen hätte. Und ein bisschen von einem neuen Heim geträumt mit einem Menschen, der mich gern mag und mit mir kuschelt und spielt. Und wo ich mich etwas bewegen kann und vielleicht sogar einen großen Kletterbaum habe. So einen gibt’s im Tierheim nur im großen Katzenraum. Das Wichtigste aber wäre das Gefühl, endlich ein Zuhause zu haben. Und einen „eigenen“ Menschen.
Am Samstag nach dem Besuch der Frau wurde ich morgens früh wach und beobachtete mal wieder die Wiese vor dem Tierheim. Irgendwie war ich etwas nervös und aufgeregt, aber ich wusste nicht warum. Vielleicht kennt ihr das ja – man hat das unbestimmte Gefühl, dass etwas in der Luft liegt. Am Vormittag kamen einige Leute ins Tierheim. Samstags oft Eltern mit Kindern. Ein Hund durfte ausziehen. Es passierte also doch nicht.
Um 15.30 Uhr, kurz vor Schließung, fuhr auf einmal noch ein kleines rotes Auto vor. Und „meine“ Frau stieg aus. Nanu, was will die denn noch mal hier?
Dann überschlugen sich auf einmal die Ereignisse. Die Tür zu meinem Flur ging auf. Herein kamen die Pflegerin und die Besucherin. Meine Tür wurde aufgemacht. Ich sprang ganz aufgeregt raus. Erstmal auf den Arm der Pflegerin. Die Frau streichelte mich und die beiden unterhielten sich. Ich legte mich auf den Boden und streckte meinen Bauch hin. Bäuchlein kraulen ist soooo schön. Die Frau streichelte meinen Bauch und redete mit mir. Ich hörte was von „mitkommen“….und nahm dann ihre Hand ganz vorsichtig zwischen meine Vorder- pfoten und zwickte sie dann ganz sacht in die Hand. Das ist bei uns Katzen ein Zeichen, dass wir jemanden mögen. Ich hörte dann die Pflegerin noch fragen, ob die Frau noch andere Katzen ansehen möchte. Mein Herz schlug wie verrückt und ich dachte nur: „Nein!! Nicht!!“. Die Frau sagte dann aber, sie brauche sich nicht weiter umsehen. Was hiess das jetzt??? Meine Güte, war ich aufgeregt. Sie streichelte mir noch mal über den Kopf….und ich kam wieder in meine Zelle. Dort setzte ich mich ganz enttäuscht vor das Fenster, um wenigstens noch zu sehen, wie sie wieder geht. Aber es kam niemand aus der Tür. Komisch, dachte ich noch.
Plötzlich kam die Pflegerin und hatte ….. einen Transportkoffer in der Hand. Sie kam zu meiner Zelle und öffnete die Tür. Kennt ihr das Gefühl, wenn man auf einmal denkt, der Herzschlag setzt aus? Ich wusste – JETZT war es soweit. Ich werde abgeholt. Ich habe ein neues Heim. Mein neues Leben fängt an.
Ich mag Transportkisten ja überhaupt nicht, aber bin sofort reingesprungen. Mit Anlauf und dem Gedanken: „Los! Zu machen das Ding! Nicht dass sich hier irgendwer noch mal etwas anders überlegt.“ Ganz überrascht machte die Pflegerin die Box zu und los ging es. Am Empfang nahm ihr die Frau die Box ab und schon ging es aus der Türe zum Auto. Aus der Transportbox schaute ich noch mal zu „meinem“ Fenster, wo ich ein gutes Jahr lang jeden Tag gesessen habe. Ich war so glücklich, es diesmal von draussen zu sehen.
Die Frau sagte zu mir, dass ich jetzt ein neues Heim habe und bestimmt nie wieder ins Tierheim müsse. Und sie sprach mich mit „Bonnie“ an. Im Tierheim nannten sie mich ja alle Jogiko….aber irgendwie sagte mir der Name auch nicht so zu. Bin ja keine Japanerin. „Bonnie“ mochte ich sofort. Ich warf noch einen Blick aufs Tierheim, wir gingen durch die Pforte und mit neuem Namen ging es auf in mein neues Leben.
Hier ist das erste Bild aus meinem neuen Heim – da war ich noch ein bisschen ängstlich und hatte mich erstmal hinter ein paar Ordnern im Regal verkrochen. War alles etwas viel auf einmal.
Aber nach ein paar Stunden war ich dann „angekommen“ und superglücklich. Und habe erstmal ausgiebig meinen neuen kleinen Kratzbaum eingeweiht.
Vielleicht könnt ihr durch meine Geschichte ein bisschen nachvollziehen, wie sehr sich die Tiere im Tierheim ein neues Zuhause wünschen. Schaut doch mal rein:
Und hier ist eine schöne Geschichte über Hector und Neo. Die beiden sassen auch im Briloner Tierheim und fanden gemeinsam ein wunderschönes Zuhause 🙂
Hector und Neo finden ein Zuhause
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